Es tritt häufig der Fall ein, dass alte Schriftstücke durch den Einfluss von Luft und Feuchtigkeit so weit verbleichen, dass das Lesen der Schriftzüge fast zur Unmöglichkeit wird. In den meisten Fällen ist eine Wiederherstellung der Schrift möglich, wenn nicht die Vermoderung schon so weit fortgeschritten, dass die Tinte gänzlich zerstört ist. Immerhin ist die Aufgabe eine sehr schwierige, so dass bei wichtigen alten Dokumenten die grösseste Vorsicht geboten ist, wenn nicht das ganze Dokument verloren gehen soll. Zahlreiche Forscher haben sich mit diesem Gegenstand beschäftigt und so wollen auch wir hier, gewissermassen als Anhang zu den Tinten, Einiges über die verschiedenen Methoden angeben.
Da es sich bei älteren Schriftstücken immer nur um Gallustinten handelt, so ist bei dem Verfahren auch nur auf diese Rücksicht zu nehmen. Die Veränderungen, welche eine Gallustinte durch Feuchtigkeit, Schimmelbildung und Lufteinfluss erleiden kann, sind uns ja völlig klar. Die organischen Bestandtheile derselben zersetzen sich allmälig ganz und das Eisenoxydulsalz geht durch den Sauerstoff der Luft in gelbes, unlösliches Ferrisulfat über. So lange die Einwirkung nur bis zu diesem Punkte gelangt ist, ist ein Wiederleserlichmachen der Schrift möglich. Unter dem Einfluss grosser Feuchtigkeit aber kann das ganze Eisenoxydsalz allmälig in Lösung gekommen sein und sich entweder in der Papierfaser ganz vertheilt haben oder ganz ausgewaschen sein. In diesem Falle müssen alle Wiederherstellungsversuche scheitern.
Das Nächstliegende wäre nun, die vergilbten Schriftzüge wieder durch Gerb- oder Gallussäure in Eisentannat überzuführen und so zu schwärzen. Es ist dieses Verfahren auch möglich, wenn die Schrift nicht zu grosser Feuchtigkeit ausgesetzt war. Man setzt dann das Papier eine Zeitlang der Einwirkung von Essigdämpfen aus und überfährt danach die Schriftzüge mittelst eines Pinsels mit einer Gallussäurelösung. Die Schrift wird wiederum schwarz hervortreten; aber die Gefahr liegt nahe, dass durch eine solche Ueberpinselung die Schriftzüge gänzlich verwischt werden. Diese Methode ist deshalb mit der grössten Vorsicht anzuwenden.
Weit besser ist folgende Methode:
Man taucht das Schriftstück rasch in eine 1%ige Lösung vollständig eisenfreier Salzsäure, lässt abtropfen und flach ausgebreitet so weit antrocknen, dass das Papier nur eben feucht ist. Dann breitet man dasselbe auf einer Glastafel aus, bestäubt die Schriftzüge mit äusserst fein gepulvertem Blutlaugensalz, legt eine zweite Glasplatte darüber und beschwert diese, damit das Pulver fest an die Schriftzüge angedrückt wird. Nach 1-2 Stunden nimmt man die obere Glasplatte ab, trocknet das Papier an einem warmen Ort völlig aus und stäubt das Blutlaugensalzpulver mittelst feinen Haarpinsels vorsichtig ab. Die Schriftzüge erscheinen nun, in Folge der Bildung von Berliner Blau, schön blau gefärbt. Selbstverständlich muss hierbei das Papier noch so viel Feuchtigkeit besessen haben, dass eine chemische Reaktion eintreten konnte. Soll das Dokument übrigens nicht nur leserlich, sondern auch als solches aufbewahrt werden, so ist es nothwendig, ihm die etwa noch anhaftende Salzsäure zu entziehen. Es geschieht dies, indem man das Papier zuerst in eine 1-2%ige Lösung von Natriumbicarbonat und dann wiederholt in reines Wasser eintaucht. Nach dem Abtropfen trocknet man es zwischen Fliesspapier, mit Hülfe eines warmen Plätteisens gut aus.
Eine dritte Methode bewirkt das Leserlichmachen der vergilbten Schriftzüge dadurch, dass das Eisensalz derselben in schwarzes Schwefeleisen übergeführt wird. Diese Methode ist am ungefährlichsten, aber die mit ihr wieder erhaltenen Schriftzüge blassen in verhältnissmässig kurzer Zeit wieder ab, indem das entstandene, ungemein fein vertheilte Schwefeleisen rasch wieder oxydirt wird. Man verfährt folgendermassen:
Auf dem Boden eines nicht zu hohen Kastens werden einige Schälchen mit Schwefelammon aufgestellt; einige Centimeter über diesen ist ein mit dünner Gaze bespannter Rahmen angebracht. Auf diesen Rahmen wird das vorher mit einem nassen Schwamm angefeuchtete Schriftstück gelegt und nun der Kasten der Beobachtung wegen mit einer Glastafel völlig bedeckt. Nach einiger Zeit werden die Schriftzüge so deutlich hervortreten, dass sie mit Leichtigkeit zu lesen und abzuschreiben sind.
Bei Schriftstücken neueren Datums kann es sich auch um Anilin- oder Chromtinten handeln. Bei ersteren ist, sobald die Schrift unleserlich geworden, alle Mühe vergeblich; eine Auffrischung ist vollkommen ausgeschlossen. Anders liegt die Sache bei den Chromtinten. Ob man eine solche vor sich hat, davon kann man sich leicht durch ein Betupfen mit Essig oder verdünnter Essigsäure überzeugen. Ist das Blauholzextrakt der Chromtinte noch nicht vollständig zerstört, so wird man ein Rothwerden der Schriftzüge bemerken. Ist hierdurch eine Blauholztinte, einerlei ob Chrom- oder Eisentinte, konstatirt, so überfährt man die Schriftzüge mittelst Pinsels mit einer Lösung aus 1 Th. gelbem Kaliumchromat in 100 Th. Wasser.